Zum 1. Mai 2016 verteilten wir auf der Mai-Demo diesen Text als Flugblatt:
Ich bin Hochschulsekretärin. Ich übe einen Beruf aus, den es offiziell gar nicht gibt. Tatsächlich aber finden Sie mich und hunderte meiner Kolleginnen an jedem Lehrstuhl, jedem Institut und jeder Fachbereichsverwaltung.
Ein Gespenst geht um in der Universität
Wie das sein kann, fragen Sie sich? Ich stelle mir fortwährend die selbe Frage. Nach den Regeln des Tarifvertrages (Tarifvertrag Länder), der im Öffentlichen Dienst zur Anwendung kommt, gehört meine Arbeit in die Entgeltgruppe 9 (brutto 2.800 Euro). Aber diese Bezahlkategorie wird mir verwehrt. Obwohl sich das Berufsbild radikal verändert hat, findet sich mein Beruf nicht im Tarifvertrag wieder. Ich bin ein Gespenst, das umgeht in der Universität …
Das Tarifrecht ist ein zähes Geschäft, zunächst muss eine sachgerechte Aufgabenbeschreibung her, „BAK“ genannt (Beschreibung des Aufgabenkreises). Diese zu erstellen ist eine Wissenschaft für sich, und die Sorge groß, dass man dabei etwas falsch machen könnte, ja, womöglich hinterher schlechter gestellt sein könnte als zuvor. Nicht selten unterbleibt es daher, die tatsächlich geleisteten Aufgaben zu dokumentieren.
Hochschulsekretärin – ein Beruf mit Zukunft
Wissenschaft und Forschung sind einer der wenigen Rohstoffe, die dieses Land besitzt. Und: wir haben es in der Hand diesen Rohstoff zu vermehren, also tun wir es auch. In unserer Stadt (siehe Web-Link Hochschulen in Berlin) gibt es 4 Universitäten, wir haben 5 Fachhochschulen und 3 weitere Kunsthochschulen. Alles in allem befinden sich nur in öffentlicher Hand 12 Hochschulen. Dazu kommen weitere öffentliche Forschungseinrichtungen wie die Leibnitz-Gemeinschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, und last-but-not-least haben 5 Max-Planck-Institute ihren Sitz in Berlin. Alle diese Institutionen benötigen Verwaltungspersonal, das auf ihre sehr speziellen Bedürfnisse hin ausgebildet ist. (Drittmittelverwaltung sei hier nur als ein Stichwort angebracht.)
Denn sie wissen nicht, was wir tun
Jedes Kind weiß, dass sich gerade in den Büro- und Verwaltungsberufen eine Revolution abgespielt hat, seit der PC allüberall eingesetzt wird, Rechnungswesen nicht mehr in staubigen Buchhaltungen stattfindet, sondern zeitgleich abgebildet wird. In den Sekretariaten gibt es kein Abtippen und Stenografieren mehr. Stattdessen wird ein breites Spektrum von Know-How eingesetzt, was ein hohes Maß an Flexibiltät und intelligentem Zeitmanagement erfordert. Die zunehmende Arbeitsverdichtung hat einerseits stupide Tätigkeiten verdrängt, aber bereichert den Arbeitsalltag durch Herausforderungen, diese Aufgabe zu meistern. Diese Bereicherung hat leider nur im Aufgabenspektrum stattgefunden, nicht im Portemonnaie der Hochschulsekretärin. Und genau dafür wird es jetzt Zeit.
Neues finanzielles Outfit für die
Hochschulsekretärin
In einer internationalen Netzwerk-Universität beherrschen wir die Englische Sprache, quasi als „Grundrauschen“. Jederzeit kann ein Anruf oder eine e-Mail hereinkommen, ein Gastwisssenschaftler fragt mich etwas. Selbstverständlich ist Englisch unsere Lingua Franca. Daher sind die meisten Hochschulsekretärinnen als sogenannte „Fremdsprachensekretärinnen“ eingruppiert (ca. 2.400 Euro). Wie man sieht, deutlich unter der E9, die uns eigentlich gebührt. Monat für Monat entgeht uns Hochschulsekretärinnen Einkommen in Höhe von 400 Euro und mehr (je nach den Berufsjahren).
Damit dieser Beruf uns auch die Zukunft bietet, die er in sich trägt, muss tunlichst eine verbindliche Berufsbezeichnung her. Diese muss mit der 9er Entgeltgruppe verknüpft sein.
Die Nachfrage übersteigt heute bereits das Angebot; angesichts des Personal-Engpasses im Öffentlichen Dienst muss man dafür kein Hellseher zu sein. Ein gewichtiges Argument für die öffentlichen Arbeitgeber, unseren Vorschlag entgegenkommend aufzunehmen.