Von der Schreibkraft zur Arbeitsgruppenmanagerin

Es war einmal ein Professor, der hatte eine Sekretärin, die ihm morgens den Kaffee brachte, aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen schöne Briefe machte, die Druckfahnen seines neuen Buches redigierte und studentische Anfragen rigide mit dem Terminkalender in Übereinstimmung brachte.

Und heute?

Geändert hat sich viel im Aufgabenspektrum des wissenschaftsunterstützenden Personals. Briefe werden nur noch selten geschrieben, meistens verfassen die Wissenschaftler ihre E-Mails selbst. Studentische Anfragen werden durch elektronische Terminvergaben strukturiert und den Kaffee holt sich jeder selbst aus dem Automaten. Diese Umverteilung „klassischer“ Sekretariatsaufgaben klingt eigentlich nach so viel Entlastung, dass es gar nicht auffallen dürfte, dass nur der glückliche Inhaber einer Planstelle „seine“ „halbe“ Sekretärin hat. Leider ist die Realität wie immer anders. Eine Arbeitsgruppe hat heute neben den drittmittelfinanzierten Wissenschaftlichen Mitarbeitern auch noch Junior-, Gast- und Sonderprofessoren, denen keine persönliche Bürokraft zur Verfügung steht.

Aber da war doch die Arbeitsentlastung?

Weit gefehlt. Heute ist die Sekretärin zuständig für Budgetverwaltung, Personalangelegenheiten, Veranstaltungsorganisation, EDV-Systeme … Wusste früher niemand so ganz genau, ob er noch den neuen Tagungsband aus seinen Mitteln bezahlen konnte, blockiert das elektronische Bestellsystem den Einkauf neuer Bleistifte automatisch, wenn dem letzten Mittelabruf noch kein Zahlungseingang gefolgt ist. Kamen früher Studenten nach Jahren, um im Sekretariat kurz vor Studienabschluss ihre Scheine einzusammeln, sollte der Kampf um den vollständigen, richtigen Eintrag im Campusmanagementsystemheute zeitnah erfolgen. Sonst ist der Dozent entschwunden und die regelmäßige Übungsteilnahme lässt sich kaum noch nachweisen.

Gibt es da nicht Hilfe durch die Technik?

BIOS, Campusmanagement, ORA, Evento und wie sie alle heißen, die schönen EDV-Systeme, die uns eigentlich das Leben leichter, die Verwaltung schneller und die Prozesse effizienter machen sollen. Die heutige Arbeitsgruppenmanagerin benötigt eine Menge zusätzlicher Qualifikationen gegenüberihrer Vorgängerin im Sekretariat noch vor 20 Jahren. Aber viele Aufgaben wurden nur verlagert. Statt von der vorrangig mit der Raumverwaltung beschäftigten Kollegin in der Fachbereichsverwaltung telefonisch eine Hörsaalreservierung zu erhalten, kämpft sich heute jede allein durch die Software, um am Ende festzustellen, dass der Raum doch nicht buchbar ist. Effizienzgewinne sehen anders aus.

Aber so viel Qualifikation wird doch honoriert?

Leider nein. Die meisten Sekretariatsstellen sind inzwischen nur noch Teilzeitstellen und das auch noch befristet. Da gehen die meisten mit deutlich weniger als 1000,- € netto nach Hause. In keinem Bereich an der Freien Universität ist der Frauenanteil so hoch – es finden sich weniger als 5 % Männer – und während sich bei den Professuren und Wissenschaftlerstellen das Geschlechterverhältnis verändert, bewegt sich hier nichts. Managementqualitäten, EDV-Kenntnisse, Budgetverantwortung– das sollte doch auch Männer reizen, zumal viele Stellen heute neutral als „Beschäftigte/r“ ausgeschrieben werden? Allein, es fehlt die Perspektive. Sekretärinnen sind hoch qualifiziert und motiviert – nach einer Umfrage im Jahr 2011 verfügen mehr als 40 % über einen Hochschulabschluss, aber Optionen für eine berufliche Weiterentwicklung fehlen. Mit jedem neuen Drittmittelprojekt, jeder Exist-Gründungsförderung oder jeder neuen Verwaltungssoftware steigt die Arbeitsbelastung.

Bislang fehlen strukturelle Veränderungen, die dem Rechnung tragen. Viele Sekretärinnen sind Einzelkämpferinnen. Sie sitzen in den kleinen Instituten in Dahlemer Villen verteilt. Um die Kontakte untereinander zu verbessern, von den Erfahrungen der anderen zu lernen und sich gemeinsam für eine Verbesserung der Situation zu engagieren, haben sich 2011 Vertreterinnen der Berliner Universitäten und Hochschulen zum Arbeitskreis Hochschulsekretärinnen zusammengeschlossen. Mit der auch an der Freien Universität gezeigten Wanderausstellung „Mit Schirm, Charme und Methode“ haben sie 2013 an verschiedenen Standorten erfolgreich auf ihre Lage hingewiesen. Aber bis zu spürbaren Veränderungen ist es noch ein weiter Weg.

Kann man da nicht etwas machen?

Eine Möglichkeit wäre der Einsatz von Instituts-Projektkoordinatoren, um Ungleichgewichte in der Arbeitsverteilung gezielt abzubauen. Während die Belastung durch die mit dem Lehrbetrieb verbundenen Aufgaben relativgleichverteilt ist, hängt der Arbeitsaufwand für die Verwaltung der Drittmittelprojekte sehr von der Aktivität einzelner Professoren ab. Eine Instituts-Projektkoordinatorin könnte als Schnittstelle auf Arbeitsebene sowohl zwischen Wissenschaft und Verwaltung als auch zwischen Projektträger und Projekt vermitteln. In der Kommunikation zwischeninhaltlichen und formalen Belangen schon bei der Antragstellung und dem Wissen um den formalen Ablauf in der Universität von der Voranzeige des Projektantragsüber die Berichtspflichten bis zur Schließung der Konten nach Projektabschluss lägen ihre Schwerpunkte. Siekönnte auch eine Antwort auf den demographischen Wandel sein, denn in den nächsten zehn Jahren dürfte etwa ein Drittel der Sekretärinnen in Ruhestand gehen und der Anteil der unter 30-Jährigen liegt bei 10 %. Um in der Zukunft Mitarbeiter weiterhin langfristig zu binden und ihr Know-how nicht zu verlieren, braucht man auch für das wissenschaftsunterstützende Personal Karrierewege. Und schließlich könnten von der Verwaltung entlastete Wissenschaftlerinnen sich mehr um ihre Forschungsinhalte und weitere erfolgreiche Projektanträge kümmern.

Autorin: Stefanie Bahe, Mitarbeiterin am Institut für Informatik und an der ZE Botanischer Garten und Botanisches Museum und Mitglied im Arbeitskreis„Hochschulsekretärinnen“ bei ver.di

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